Wie funktioniert die elektrische Sicherheit im Serverraum?
Bender Technologie steht für elektrische Sicherheit. Mit der Erfindung des ersten Isolationsüberwachungsgeräts vor 75 Jahren hat die Erfolgsgeschichte des Familienunternehmens ihren Anfang genommen. Heute agiert Bender international und ist Marktführer für elektrische Sicherheitsprodukte, u. a. für Systeme und Lösungen im medizinischen Bereich, im Transportwesen sowie in der Elektromobilität. Unsere Kollegin Irene wollte es genauer wissen und hat Peter Eckert, Marktsegmentmanager Critical Infrastructure bei Bender GmbH & Co. KG, um ein Interview gebeten.
Sie sind seit über 20 Jahren im Bereich Rechenzentrum (RZ), Sichere Stromversorgung tätig. Was ist Ihre derzeitige Position?
Ich komme ursprünglich aus der Kommunikations- und Funktechnik. Derzeit arbeite ich im Marktsegmentmanagement für Datacenter Anwendungen der Firma Bender, wo mein Schwerpunkt die elektrische Sicherheit und Verfügbarkeit von Data Centern ist.
Was haben die Firma Bender und EPS gemeinsam?
Hochverfügbarkeit ist unser gemeinsames Thema. Seit 75 Jahren agiert Bender am Markt, anfangs im Bereich Kohle- und Bergbau, heute reicht das Spektrum von Mess-, Schutz- und Überwachungssystemen bis hin zu Maschinenbau, Anlagenbau, Elektromobilität, Energieerzeugung und -verteilung. Ausfälle in der Stromversorgung können dank unserer Messtechnik und dem permanenten Überwachen sicherheitsrelevanter Stromkreise auf Fehler-, Differenz- und Betriebsströme frühzeitig erkannt werden und ggf. dadurch vermieden werden.
Damit sind wir gleich beim Hauptthema unseres Interviews, die Differenzstrommessung. Wie kann man diese Technologie in einfachen Worten erklären?
Technisch formuliert ist der „Differenzstrom … die Differenz zwischen dem im Außenleiter (L) und dem im Neutralleiter (N) fließenden Strom.“ Ein Grundprinzip in der Elektrotechnik besagt, dass in einem fehlerfreien Netz der einfließende Strom gleich stark sein muss wie der Strom, der ausfließt (Gleichstrom). Wenn ein Fehler z.B. in der Isolation entsteht, und der Strom fließt nicht über die Leitung, sondern über den Körper oder die Erde, entsteht ein Differenzstrom. Das kennen wir alle aus unserem Haushalt: Wenn das Fehlerstrom-Schutzschalter (Fi-Schutzschalter) „springt“, ist es entweder ein Fehler im Stromkreis oder nur ein überhöhter, kurzzeitiger Einschaltstrom (oder Transient), und der Strom fällt aus. In Rechenzentren möchte man diese Situation weitgehend vermeiden und es ist allerdings nahezu unmöglich, den Strom komplett herunterzufahren wie in privaten Häusern. Im Serverraum überwachen die Geräte für die Differenzstrommessung das komplette System und erlauben einen Überblick über die Verfügbarkeit der elektrischen Anlage (Condition Monitoring).
Wenn ein Fehler z.B. in der Isolation entsteht, und der Strom fließt nicht über die Leitung, sondern über den Körper oder die Erde, entsteht ein Differenzstrom. Das kennen wir alle aus unserem Haushalt: Wenn das Fehlerstrom-Schutzschalter (Fi-Schutzschalter) „springt“, ist es entweder ein Fehler im Stromkreis oder nur ein überhöhter, kurzzeitiger Einschaltstrom (oder Transient), und der Strom fällt aus. In Rechenzentren möchte man diese Situation weitgehend vermeiden und es ist allerdings nahezu unmöglich, den Strom komplett herunterzufahren wie in privaten Häusern.
Peter Eckert
Wenn ich Sie richtig verstehe, ist ein Gerät für Differenzstrom-Überwachung ähnlich wie das Fi-Schutzschalter in unseren Häusern. Was bedeutet aber Differenzstrom bzw. Differenzstrom-Überwachung genau?
Die Aufgabe eines Differenzstrom-Überwachungsgeräts (RCM – Residual Current Monitor) besteht darin, eine elektrische Installation auf die Beschaffenheit der elektrischen Isolation, der Verschlechterung (z.B. Alterung) oder Anschlussfehler (PE und N Leiter vertauscht) zu überwachen und akustisch einen Alarm auszulösen, wenn der Differenzstrom einen gewissen Wert überschreitet (DIN EN 62020 (VDE 0663) : 2005-11).
Wie wird Differenzstrom bemessen?
Differenzströme werden am einfachsten durch Allstromsensitive Summenstromwandler(Typ B) gemessen, wie sie auch in Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen (RCDs) oder auch in Differenzstrom-Überwachungsgeräten (RCMs) eingesetzt werden.
Jedoch ist zu unterscheiden, welchen Frequenzbereich das Messgerät imstande ist zu messen. Einfache Geräte (Typ A) messen z.B. nur im 50Hz Bereich, und sind somit auch nicht in der Lage hochfrequente oder DC-Ströme (DC – Direct Current, Gleichstrom) zu messen. Das kann das Ergebnis, bzw. die Aussagekraft vermindern.
Welche andere Formen von Messung gibt es?
Leistungsmessung (Strom) Spannungs- und Frequenzmessung.
Wo wird Differenzstrommessung angewandt?
Am einfachsten dort wo die Themen Brandschutz (300mA) und Personenschutz (30mA) gefordert ist und ein einfaches Abschalten der Anlage zu Wartungszwecken nicht ohne großen Aufwand möglich ist (Stichwort Isolationsmessung im Rahmen der wiederkehrenden Prüfung), in Industrieumgebungen ohne selbstauslösendes Schutzorgan bzw. überall dort, wo man schlecht oder umständlich Strom abschalten kann. Die Fehlerursachen im RZ sind mehr auf Geräteebene, aber über die Verkabelung können sich auch Gefahren entwickeln, wenn beispielsweise mechanische Einflüsse die Kabel belasten oder gefährliche Dämpfe im offenen Gelände entstehen und dies einen Einfluss auf die Isolation der Kabel hat. Hier ist eine permanente Überwachung essentiell. Nachrüstung ist zwar möglich aber mit mehr Aufwand verbunden.
Warum wird Differenzstrommessung im Rechenzentrum eingesetzt?
Die wichtigsten Gründe sind:
- Die Differenzstrommessung sichert den Betrieb für Mensch und Maschine als Normkonformer Betrieb ohne RCD (“Fi- Schutzschalter“).
- Die EN50600 fordert die unterbrechungsfreie Wartung ab der Verfügbarkeitsklasse 3 und diese Technologie ermöglicht dem Betreiber der Anlage eine sichere Lösung zum Messen ohne abzuschalten und somit einen unterbrechungsfreien Betrieb
- Sie bedeutet eine Erfüllung der technischen Bedingung (Ständig Überwacht) als Grundlage für die Gefährdungsbeurteilung zur Anpassung der Prüffristen
- Fehler werden schnell lokalisiert: Schnelle Fehlerlokalisierung minimiert die Downtime-Phase und erhöht der Verfügbarkeit.
Warum ist Differenzstrommessung in Serverräumen so wichtig?
Die Sicherheit für Mensch und Maschine auf der einen Seite und die ständige Verfügbarkeit auf der anderen Seite erfordern eine Technologie, die den bestmöglichen Schutz bei möglichst wenig Abschaltung/ bzw. Wartungsaufwand bietet. Die RCM Technik ermöglicht ein frühzeitiges Erkennen von Fehlern und erlaubt die planbare Störungsbeseitigung, ggf. im laufenden Betrieb. Außerdem ersetzt eine ständige Überwachung die punktuelle Prüfung. Ein 24/7 Überblick über die Anlage ist möglich.
Auch aus der Sicht der Normen ist diese Messung wichtig …
Genau. Die EN50600 erfordert z.B. eine unterbrechungsfreie Wartung für die Verfügbarkeitsklasse VK3 und VK4. Dies wird durch die RCM Technik unterstützt bzw. ermöglicht. Wir benötigen ein TN-S System (Abk. für französisch terre neutre séparé, separate neutrale Erde) mit einem zentralen Erdungspunkt. Ein konkretes Beispiel: Wenn jemand ein Gerät z.B. ein Umluftgerät falsch anschließt, beginnt der Strom sich undefiniert im Gebäude zu verteilen. Kurzfristig wird dies nichts bedeuten, aber langfristig werden Fehler gemeldet. Hier hilft eine permanente Messung den Ort des Fehlers sehr schnell zu erkennen. Ein schönes Werkzeug für die Hochverfügbarkeit 😊.
Was sind die Vorteile von Differenzstrommessung?
Bei der Differenzstromüberwachung werden Differenz- und Fehlerströme gemeldet, bevor die Anlage im Fehlerfall abgeschaltet werden muss. Abschaltungen, auch nur für kurze Zeit, gehören durch den gezielten Einsatz von Differenzstrom-Überwachungssystemen der Vergangenheit an. Die Verfügbarkeit einer elektrischen Anlage wird erhöht und der Kostenaufwand für die Wiederholungsprüfung elektrischer Anlagen und Betriebsmittel minimiert. Mit Partnern wie EPS hat man ein geschultes Team, das einem hilft die richtigen Maßnahmen zu setzen. Wichtig ist dabei, die Differenzstrommessung als Werkzeug und nicht als statische Anlage zu sehen.
Inwieweit trägt Differenzstrom zur Sicherheit von Anlagen und Menschenleben bei?
Die Messung alleine sichert kein Leben, es ist immer wichtig, einen Prozess zu implementieren, der aufzeigt und vorschreibt, wie bei einer Störung bzw. Warnung vorzugehen ist. Die wichtigsten Vorteile sind:
- Präventive Sicherheit zum Schutz von Menschen vor Gefährdungen durch elektrischen Strom
- Minimierung von Störungen und unerwartete Betriebsunterbrechungen sensibler Einrichtungen
- Sofortige Erkennung von Isolationsfehlern bei neu installierten Anlagen und Geräten
- Überwachung von TN-S-Systemen auf zusätzlich unerwünschten N-PE-Brücken
- Höhere Brandsicherheit: Fehlerströme werden schon in der Entstehungsphase erkannt. Eine Überlastung von N-Leitern wird erkannt und Brandgefahren in elektrischen Anlagen werden dadurch reduziert.
Welche Rolle spielt Differenzstrommessung bei USV-Anlagen, in Serverräumen, bei Notstromaggregaten, bei der Datenverkabelung?
Eine RCM Messung gibt den Betreibern, neben den vorgenannten Vorteilen auch noch eine Möglichkeit, den Zustand der Systeme und Leitungen zu überwachen. Störungen aus den Systemen oder der Verkabelung werden erkannt (Stichwort EMV).
Welchen Mehrwert hat der Kunde durch den Einsatz von Differenzstrommessungsgeräten?
Er erwirbt damit ein System mit vielfältigem Nutzen für die Sicherheit und die Verfügbarkeit.
Inwieweit trägt die Differenzstrommessung zur Hochverfügbarkeit der Stromversorgung bei?
Durch frühzeitige Identifikation von Störungen oder Fehlern kann der Betreiber frühzeitig handeln und ggf. ohne Störung des Betriebs Maßnahmen umsetzen.
Möchten Sie noch etwas bezüglich unseres Themas oder der Firma EPS hinzufügen?
EPS hat sich schon früh mit diesem Thema befasst und das Potential erkannt. In einigen Projekten wird die Differenzstrommessung bereits umgesetzt.
Herzlichen Dank!